Europäische Aktienmärkte: Erleben wir ein Déjà-vu?
Emittent / Herausgeber: Vermögensmanagement Euroswitch
/ Schlagwort(e): Marktbericht/Marktbericht
Europäische Aktienmärkte: Erleben wir ein Déjà-vu? Anders als in den USA werden die europäischen Kapitalmärkte seit der Europawahl von Trübsal bestimmt: Ein großer Teil der Jahresgewinne wurde bei Aktien abgegeben und die langjährigen Marktzinsen, vor allem für die südlichen Euroländer, sind trotz erster Zinssenkung der europäischen Zentralbank EZB gestiegen, schreibt Thomas Böckelmann, Leiter Portfoliomanagement bei Dolphinvest Capital, in seinem aktuellen Monatsbericht. Die Entscheidung des französischen Präsidenten Macrons für Neuwahlen hätte den Scheinwerfer auf ein Europa geworfen, welches sich nicht nur dank politischer Ideologie in Brüssel strukturell selber schwäche und durch eine militärische Ostfront bedroht werde, sondern sich zusehends inneren politischen Unsicherheiten ausgesetzt sähe. „Es wird eine Art ‚Cameron-Moment‘ befürchtet, bei dem viele Anlegergelder aus europäischen Aktien und Anleihen abgezogen wurden. Auch der damalige britische Premier David Cameron hatte ohne Not eine Volksabstimmung zum Brexit angesetzt, die Folgen kennen wir heute. Diese Befürchtungen haben zu verkaufsbedingten Renditeanstiegen vor allem bei französischen und italienischen Staatsanleihen geführt“, so der Experte Böckelmann. Seit fast zehn Jahren mache erstmals wieder das Wort von der „Staatsschuldenkrise“ die Runde, angesichts hoher Budgetdefizite und Schuldenquoten jenseits der 100 %. Immer mehr Politiker innerhalb der EU forderten die Schuldenbremsen auszuhebeln und Finanzierungsspielräume zu erweitern. Die Mehrheit in der deutschen Bundesregierung sei da leider keine Ausnahme, seien doch mehr Schulden bequemer als Diskussionen um die richtige Priorisierung. Dabei schiene dies- wie jenseits des Atlantiks das gestiegene Zinsniveau, welches die zukünftige Flexibilität von Staatshaushalten dramatisch einschränken dürfte, völlig ignoriert zu werden. Insofern dürfte, schreibt der Experte, auch mittelfristig der politische Druck auf Notenbanken steigen, trotz immer noch hartnäckiger Inflation um 3 % schnellere Zinssenkungen voranzutreiben. „Hier spielt die Politik mit dem Feuer, denn die Unabhängigkeit der Notenbanken ist das höchste Gut seit Aufheben des Goldstandards in den 70er Jahren. Die britische Premierministerin Elisabeth Truss erlebte ihren ‚Truss-Moment‘, als gereizte Kapitalmärkte sie nach nur 44 Tagen aus dem Amt trieben. Sie musste gehen, um größeren Schaden vom Markt für britische Staatsanleihen in Folge einer Vertrauenskrise zu verhindern“, fasst der Investmentexperte die Situation zusammen und bemerkt weiter: „Zwar sind die Staatsschulden und Haushaltsdefizite in den USA genauso hoch wie in Frankreich, aber offenbar haben die Kapitalmärkte mehr Zuversicht in die US-Wirtschaft, die sich abzeichnende Staatsschuldenkrise abzuwenden.“ Ein etwaiger totaler Vertrauensverlust ins Finanzsystem, von dem man noch sehr weit entfernt sei, könne in Verbindung mit schuldenfinanzierten Spekulationen zu einem sogenannten „Minsky-Moment“ führen, also dem plötzlichen dramatischen Verlust bei Vermögenswerten. Europa befände sich in einem Entscheidungsprozess zweier Denkschulen, für den der Ausgang der Neuwahlen in Frankreich nicht unwichtig sei. Da gäbe es einerseits die Wirtschaftsförderung durch Schuldenprogramme, die unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit höchst zweifelhaft und angesichts überbordenden bürokratischen Eingriffs ordnungspolitisch anmaßend wären. Dem entgegen stünden die Wirtschaftsförderung durch Verbesserung der Angebots- und Rahmenbedingungen, die letztendlich auf die Entscheidungen der Bürger und regulierende Marktkräfte vertraue. Aus ökonomischer Sicht müsse man leider feststellen, dass aktuelle politische Kräfte gerne zur ersten Denkschule tendieren – der Ausstieg Großbritanniens aus der EU und die planwirtschaftsfreundliche Ära Merkel hätten diese Entwicklung begünstigt. In der Folge verlöre Europa seine Wettbewerbsfähigkeit und den Anschluss an die Regionen USA und China in nahezu allen wirtschaftlich relevanten Bereichen. Man gefährde die eigenen Wachstums- und Wohlstands- und damit auch die angestrebten Wohlfahrtsperspektiven. „Der Abzug internationaler Gelder, die Warnungen des Internationen Währungsfonds IWF, die Empfehlungen der zuständigen Rechnungshöfe wie Wirtschaftsverbände sollten endlich wachrütteln. Es fehlt ein ‚Draghi-Moment‘ in Europa“, konstatiert Böckelmann und ist gespannt, „ob der mit seiner ökonomischen Kompetenz mit Abstand unter der Politprominenz herausragende Mario Draghi mit einem bedeutenden Posten in Brüssel bekleidet wird oder das ‚Weiter-so‘-Team weiterhin bestimmend bleibt.“ Erfahren Sie mehr im Finanzpodcast mit Thomas Böckelmann.
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